Interview mit Raphaela Sieber

Scottish memories: Nurses in blauen Uniformen, Linksverkehr und traumhafte Strände

Rund die Hälfte ihrer Studienzeit verbringen die Bachelorstudierenden der Gesundheits- und Krankenpflege in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen bei der praktischen Ausbildung. Durch die vielen Praktika erlangen die Bachelorstudierenden mit Studienabschluss gleichzeitig die Berufsberechtigung für den gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege. Viele Studierende nützen die Gelegenheit, im 5. Semester Erfahrungen im Ausland zu sammeln. So auch Raphaela Sieber, sie entschied sich für einen Aufenthalt in Schottland.

Warum wollten Sie unbedingt ein Auslandssemester machen?

Mir war bereits ab dem ersten Semester bewusst, dass ich auf jeden Fall die Möglichkeit für ein Auslandssemester nutzen möchte. Ich wollte die Erfahrung machen, mich in sprachlicher sowie persönlicher Hinsicht weiterzuentwickeln. Die Gesundheits- und Krankenpflege hat sich in vielen Ländern unterschiedlich entwickelt und die Aufgabenbereiche sind ganz anders als in Österreich.

Ein Auslandssemester bietet einfach eine tolle Möglichkeit, die Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege auch im internationalen Kontext zu vergleichen. Durch die Kooperationen der FH Campus Wien stehen viele verschiedene Destinationen zur Verfügung.

Warum fiel Ihre Wahl ausgerechnet auf Schottland?

Für mich war sofort klar, dass mein Auslandssemester unbedingt in einem englischsprachigen Land sein muss. Die Kooperation mit der University of the West of Scotland kam mir dadurch sehr gelegen. Mein absolutes Lieblingsland ist Großbritannien, denn auch privat reise ich gerne dorthin. Schottland ist ein wunderbares Land, mit einer tollen Landschaft und vielen Möglichkeiten für Ausflüge. Es ist ein Land voller Kultur und Traditionen und ich wollte diese unbedingt näher kennenlernen und auch hautnah miterleben. Die Menschen in Schottland sind sehr freundlich und besonders gereizt hat mich, neben der modernen Etablierung der Gesundheits- und Krankenpflege natürlich der bekannte schottische Akzent.

Was hat Ihnen an Ihren Praktika in Ayr besonders gefallen?

Ich habe für die knappen vier Monate in Ayr gewohnt. Das liegt 45 Minuten von Glasgow entfernt und ist eine entzückende, kleine Stadt und liegt eher ländlich. Besonders schön ist das Meer und der Strand in Ayr. Ich habe in Schottland drei Praktika in unterschiedlichen Bereichen und Krankenhäusern absolviert. Mein erstes Praktikum war im Bereich Hauskrankenpflege bei den sogenannten District Nurses, jedoch unterscheidet sich das Aufgabengebiet deutlich von Hauskrankenpflege in Österreich. Zu meinen Aufgaben zählten beispielsweise Wundversorgung, Entfernen von Nähten und Klammern oder Setzen von Kathetern, aber auch die Beratung bei einem Stoma und bei chronischen Krankheiten wie Diabetes gehören dazu. Ein weiterer wichtiger Pflegeaspekt war die Betreuung am Lebensende. Diese Erfahrung in der „Palliative Care“ oder „End of Life Care“ hat mich besonders berührt und die Betreuung von den Angehörigen ist hier auch sehr wichtig gewesen.

In den weiteren Praktika haben Sie das Spitalswesen kennengelernt?

Mein zweites Praktikum habe ich im Crosshouse Hospital in Kilmarnock im Fachbereich Gynäkologie mit einem chirurgischen Schwerpunkt absolviert. Der Alltag im Krankenhaus hat sich deutlich von Österreich unterschieden. Meine Aufgaben als Student Nurse waren: das Erfassen von Vitalparametern, die perioperative Betreuung, das Achten auf postoperative Nachblutungen, Medikamente verabreichen, Harnproben analysieren, Drainagen entfernen, Sauerstofftherapie anpassen, die Dokumentation durchführen, Überweisungen im multiprofessionellen Setting organisieren und beim Mobilisieren unterstützen. Im Zuge meines Praktikums hatte ich die Möglichkeit, einen Tag mit den MacMillan Nurses zu arbeiten. Die MacMillan Nurses sind spezialisierte Krankenpfleger*innen, die die Betreuung von gynäkologischen Krebspatientinnen übernehmen. Auch an einem multidisziplinären Meeting mit einer Videokonferenz nach Glasgow konnte ich teilnehmen, genauso durfte ich in den Operationsaal und Aufwachraum, sowie in den Kinder- und Jugendlichenbereich reinschnuppern.

Mein letztes Praktikum erfolgte im Ayr Hospital mit einem für mich gänzlich neuen Schwerpunkt, nämlich dem Fachbereich Onkologie. Ich betreute onkologische Patient*innen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen, von selbstständig bis bettlägerig. Das brachte entsprechend vielseitige Aufgaben mit sich, wie Medikamente herrichten oder Bluttransfusionen verabreichen, Vitalparameter überprüfen bis zur Vorbereitung und Betreuung während und nach der Chemotherapie. Auch das Dokumentieren gehörte dazu, ich führte Entlassungsgespräche, betreute Angehörige und Palliative Care war natürlich wieder ein großes Thema.

Zum Teamwork habe ich festgestellt: Generell ist in Schottland die hierarchische Aufteilung strenger als in Österreich. Das bedeutet die Kompetenzen der einzelnen Berufsgruppen sind deutlich definiert und werden auch eingehalten.

Zusammenfassend, welche Erfahrung war das Auslandspraktikum für Sie?

Die Erfahrung in Schottland war unbeschreiblich. Es fühlt sich oft noch immer unrealistisch, dass ich wirklich in Schottland gewesen bin. Ich kann mich gar nicht auf ein tollstes Erlebnis festlegen, denn ich habe so viel erlebt. Meine Ausflüge nach Glasgow, in die Hauptstadt Edinburgh, oder Loch Ness waren tolle Erlebnisse. Ganz allgemein ist es beeindruckend, dass ich in einem anderen Land, in einem anderen Pflegesystem, mit einer anderen Ausbildung sehr freundlich aufgenommen wurde. Die Kolleg*innen und Ausbildner*innen haben keinen Unterschied gemacht, obwohl die Ausbildung in Österreich doch anders ist. Ich durfte genauso arbeiten wie die Staff Nurses und das hat mich in meinem Selbstbewusstsein sehr gestärkt. Das Auslandssemester hat mir beruflich, privat und auch auf der kommunikativen Ebene sehr viel gebracht. Ich habe mein Fachenglisch perfektioniert und auch in privaten Alltagssituationen die Kommunikation auf Englisch verbessert. Durch meine Praktikumserfahrungen habe ich immer eine Basis, auf die ich in meinem beruflichen Alltag zurückgreifen kann. Ich habe außerdem viele Freundschaften geknüpft.

Welche Zukunftspläne haben Sie nun nach dem Bachelorabschluss?

Die Zeit in Schottland war unglaublich und ich freue mich, wenn ich bald wieder meine Freund*innen in Schottland besuchen kann. Ich beginne nach meinem Abschluss im Fachbereich der Kinder- und Jugendlichenpflege und freue mich sehr auf diese neue Herausforderung. Meine berufliche Zukunft liegt, trotz der tollen Erfahrung in Schottland, auf jeden Fall im Moment noch in Österreich. Wer weiß, vielleicht ergibt sich doch irgendwann die Möglichkeit nach Schottland zurückzukehren.

Disclaimer:

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der/die Verfasser*in; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.


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