Interview mit Armin Mesic, Absolvent Masterstudium Health Assisting Engineering

Demenz – Technische Lösungen ermöglichen Selbstständigkeit im Alltag

Derzeit leiden etwa 100.000 Österreicher*innen an einer dementiellen Erkrankung. 2050 wird diese Zahl auf 230.000 ansteigen. Ziel muss es also heute schon sein, für diese Patient*innen eine optimale Versorgungs-, Therapie- und Betreuungsstruktur zu schaffen. Diesem Thema widmet sich auch der Forschungsbereich Ambient Assisted Living der FH Campus Wien. In Verbindung der Departments Bauen und Gestalten, Gesundheit, Soziales und Technik entwickeln Forscher*innen und klinische Expert*innen Produkte, die Menschen mit gesundheitlichen Problemen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens helfen und damit ihre Lebensqualität erhöhen. Inhalt der Masterarbeit von Armin Mesic, Absolvent des Masterstudiums Health Assisting Engineering an der FH Campus Wien ist es zu erforschen, welche Assistenzsysteme zur Unterstützung der Selbstständigkeit von Personen mit beginnenden dementiellen Erkrankungen einsetzbar sind.

Herr Mesic, worum geht es in Ihrer Forschungsarbeit genau?

Immer mehr ältere Menschen sind heute von Demenz betroffen. Sie werden zu 80 Prozent in der Familie sowie durch private Organisationen und andere Initiativen zu Hause gepflegt. In meiner Masterthesis beantworte ich die Frage, welche Systeme und Lösungen diesen Menschen bestmöglich helfen können. Denn durch meine Berufserfahrung bei der Caritas Socialis weiß ich, dass der Informationsstand der Betroffenen in diesem Bereich viel zu gering ist und daher viele Möglichkeiten zur Unterstützung völlig außer Acht gelassen werden. Dazu zählen beispielsweise Entwicklungen aus dem Bereich Ambient Assisted Living, die ein umgebungsunterstützes Leben ermöglichen. Ziel ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität von hilfsbedürftigen Menschen zu erhalten oder zu verbessern. In meiner Arbeit geht es um eine umfassende Auflistung dieser Lösungen für Patient*innen, Angehörige, Pflegende und Therapeut*innen. Diese wird auch Unterstützungsmaßnahmen enthalten, die primär nicht für Demenzkranke gedacht sind, jedoch eine große Hilfestellung im Alltag bedeuten können.

Um welche Systeme handelt es sich hierbei beispielsweise?

Die bis jetzt eingesetzten Maßnahmen, um die Sicherheit kognitiv eingeschränkter Patient*innen zu gewährleisten, wie beispielsweise Bettgitter, Bettgurte oder das Versperren von Türen, sind meist freiheitsbeschränkend und dürfen daher im häuslichen Bereich keinesfalls verwendet werden. Ich bin auf der Suche nach Systemen, die die Möglichkeiten und Mobilität der Patient*innen nicht einschränken und trotzdem eine Überwachungsfunktion bieten. Das sind beispielsweise Lichtschranken an der Eingangstüre, die ein Signal geben, sobald die Person den Wohnraum verlässt. Ein Sender mit GPS-Funktion, den die Patient*innen mit sich tragen für den Fall, dass sie sich im öffentlichen Raum verirren, ist auch eine gute Lösung. Außerdem gibt es Systeme, die Notrufstellen alarmieren, wenn jemand in seinem Wohnraum stürzt. Das können druckempfindliche Sturzmatten vor dem Bett sein oder Sensoren, die melden, wenn Patient*innen eine ungewohnt lange Zeit im Bad oder WC verbringen. Um den Weg dorthin beispielsweise in der Dunkelheit überhaupt zu finden, eignen sich leuchtende Bodenmarkierungen, die in der Elektronik schon lange entwickelt werden. 

Werden hier hauptsächlich technische Lösungen eingesetzt?

Ja, solche Lösungen basieren oft auf Informations- und Kommunikationstechnologien, die den Komfort, die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner*innen steigern sollen. Moderne Hausautomations- und Gebäudetechnik verbunden mit Notrufsystemen und sozialen Dienstleistungen sind die Grundlage für diese intelligenten Systeme, die sich durchaus in die Bereiche „Smart Living“ oder auch „Smart Home“ einreihen lassen.

Wie groß ist der tatsächliche Bedarf an solchen Lösungen?

Der Bedarf ist immens, wenn man daran denkt, dass die Lebenserwartung durch verbesserte Lebensbedingungen heute rapide steigt. Derzeit liegt das Durchschnittsalter von Frauen bei 86 und von Männern bei 83 Jahren. Viele ältere Personen können sich nicht mehr selbst versorgen und sind auf Hilfe, Pflege und Therapie zu Hause angewiesen. Die Versorgung in Krankenhäusern oder Pflegeheimen ist ein großer Kostenfaktor in der Volkswirtschaft, der sich jetzt schon mit 1,7 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Bis 2050 soll dieser Betrag auf 4,7 Milliarden anwachsen. Daher ist die Pflege zu Hause eine gewünschte Alternative, die auch für die Patient*innen selbst große Vorteile bringt. Denn in der vertrauten Umgebung zu bleiben ist vor allem für Demenzkranke wichtig, da so der Krankheitsprozess verlangsamt werden kann. Systeme aus dem Bereich Ambient Assisted Living helfen dabei, dass diese Menschen solange wie möglich zu Hause leben können.

Ist die Entwicklung der Systeme auch Inhalt Ihres Studiums an der FH Campus Wien?

Ja, der Studiengang Health Assisting Engineering forscht im Bereich Ambient Assisted Living und entwickelt auch gemeinsam mit Unternehmen Produkte, die die Lebensqualität älterer Menschen verbessern. Studierende können an diesen Lösungen mitarbeiten und treten dabei in aktiven Dialog mit der Scientific Community. Zu diesem Zweck gibt es auch Kooperationen mit der Technischen Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien und dem Austrian Institute of Technology. Diese Zusammenarbeit verdeutlicht auch die große Interdisziplinarität des Studiums. Es vermittelt durch die Verbindung von Technik, Gesundheit, Therapie, klinischer Tätigkeit und Forschung stark integrative Kompetenzen. Voraussetzung für das Studium ist, dass man einen Bachelor in einem der Bereiche absolviert hat.

Wodurch zeichnet sich Ihr Studium besonders aus?

Ich schätze den ständigen Austausch mit verschiedenen Bereichen und Fachrichtungen, der durch die intensive Projekttätigkeit während des Studiums zustande kommt. Das Engagement, die Offenheit und ständige Erreichbarkeit unserer Vortragenden hilft uns sehr beim Erlernen neuer Studieninhalte. Auch die Arbeit in Kleingruppen unterstützt unseren Fortschritt. So kann der Lernstoff wesentlich schneller und den eigenen Bedürfnissen angepasst aufgenommen werden. Wir arbeiten in modernst ausgestatteten Labors und haben immer alle Hilfsmittel zur Verfügung, die wir brauchen.

Herr Mesic, wie sieht Ihre Zukunft nach dem Studium aus?

Die Berufsaussichten nach dem Studium sind sehr gut, denn es gibt bis jetzt nur wenige Expert*innen, die medizinisches und technisches Wissen vereinen können.
Derzeit arbeite ich als Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, nach Abschluss des Studiums kann ich mir vorstellen, als klinischer Experte oder Projektleiter in der Forschung zu arbeiten. Darüber hinaus werde ich die Ergebnisse meiner Masterthese für die professionelle Information von Betroffenen, Angehörigen und Pflegepersonal weiterentwickeln, sei es Form eines Beratungstools, einer App oder einer Online Plattform.

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