Interview mit Absolventin Nadine Bayer

Nadine Bayer, MSc, wurde für ihre Masterarbeit über neue Ansatzpunkte in der Therapie von Leukämie von der Abbott GesmbH Diagnostics im Rahmen der Fachtagung von biomed austria ausgezeichnet. Sie arbeitet in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Pädiatrisches Epilepsiezentrum am AKH, in der Funktionsdiagnostik. Ihre Masterarbeit führte sie, betreut von Univ. Prof. Dr. Christopher Gerner, am
Institut für Analytische Chemie der Universität Wien durch.

Warum haben sie zwei bestimmte Leukämieformen für Ihre Masterarbeit ausgewählt und verglichen?

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) und das Multiple Myelom (MM), eine Krebserkrankung des Knochenmarks, treten häufig bei älteren Menschen auf. Beide bisher und in naher Zukunft unheilbaren Leukämieformen weisen biologisch und klinisch einige Ähnlichkeiten auf und stammen aus derselben Zellfamilie (B-Lymphozyten). Trotz ihrer Gemeinsamkeiten können beide Krankheiten sehr unterschiedlich verlaufen, weshalb sich auch deren Therapie stark unterscheidet. Schwerpunkt dieser Arbeit war es, die Gemeinsamkeiten zu analysieren, um so auf neue Therapieansätze zu stoßen. Auf das Thema bin ich durch meinen Betreuer Univ. Prof. Dr. Christopher Gerner und seine Arbeit am Institut für Analytische Chemie, Universität Wien, gestoßen. Er unterrichtet im Masterstudium Biomedizinische Analytik an der FH CAMPUS WIEN Proteomics. Die Versuche habe ich an seinem Institut vorgenommen und wurde dabei auch von den Institutsmitarbeiter*innen unterstützt, etwa beim versorgen meiner Zellkulturen und beim Auswerten der komplexen Datensätze. Für mich als berufsbegleitend Studierende war das sehr wichtig.

Worin besteht die Grundidee Ihrer Masterarbeit?

Die Idee bestand darin, Membranproteine von Tumorzellen dieser beiden Leukämieformen mit verschiedenen Methoden und Verfahren anzureichern und vergleichend zu analysieren. Wir erwarteten uns so, potentielle Membranprotein-Kandidaten zu identifizieren, die für mögliche neue Therapieansätze geeignet sein könnten.

Wodurch ist der besondere Forschungsbedarf begründet?

Membranproteine spielen eine wichtige Rolle in einer Vielzahl von zellulären Prozessen, weshalb ihre genauere Charakterisierung essentiell für die Identifikation neuer therapeutischer Ansatzpunkte ist. Aktuell sind etwa 70% aller bekannten Zielmoleküle für Medikamente Membranproteine - Medikamente wie Aspirin oder Tamiflu sind gegen Membranproteine gerichtet. In Proteomics-Datensätzen, die die Gesamtheit aller Proteine der menschlichen Zellen umfassen, sind sie jedoch meist unterpräsentiert, weil man bei deren Gewinnung, Weiterverarbeitung und Trennung auf Schwierigkeiten stößt. Vereinfacht gesagt, verschwinden sie häufig im Laufe des Analyseprozesses, da diese aufgrund ihrer hydrophoben Natur auf Plastikoberflächen wie Pipettenspitzen oder Untersuchungsröhrchen haften bleiben.

Welchen neuen Ansatz haben Sie konkret verfolgt?

Ich habe in einem ersten Schritt unterschiedliche Trenn- und Anreicherungsmethoden angewendet und neu kombiniert, um die Identifikation von Membranproteinen zu verbessern. Insbesondere mithilfe der Dichtegradienten-Ultrazentrifugation habe ich die "flüchtigen" Membranproteine angereichert, um eine ausreichende Fraktion an Membranproteinen zu erhalten. In einem zweiten Schritt habe ich diese Fraktion mittels Massenspektrometrie (nano-flow LC orbitrap MS/MS) weiter untersucht und analysiert. Damit konnte ich im Ergebnis möglicherweise für Therapiezwecke geeignete Kandidaten unter den Membranproteinen identifizieren.

Welche Kandidaten schienen Ihnen für Therapiezwecke geeignet und warum?

Ich habe versucht, Membranproteine zu finden, die an dem Austausch zwischen Krebszelle und gesunden Zellen beteiligt sind und so die Krebszelle in ihrem Wachstum unterstützen. Gerade diese Zellen scheinen als Therapiepunkte besonders geeignet. Die Kandidaten, die ich in meiner Masterarbeit identifiziert habe, sind primär nur an der Zellmembran und nicht im Zellkern oder im Zytoplasma zu finden. Das deutet darauf hin, dass sie eine besondere Funktion gegenüber dem zellulären Umfeld haben.

Was können Ihre Erkenntnisse für die Praxis in naher Zukunft bedeuten?

In habe die Versuche an Zelllinien (JVM-13 für CLL und RPMI 8226 für MM) vorgenommen, die im Labor unter künstlich Bedingungen gezüchtet werden können. Die Ergebnisse sind jedoch nicht eins zu eins auf dieselbe Art von Zellen im lebenden Menschen übertragbar. Ein nächster Schritt wären Versuche mit Tumorzellen, welche direkt von Krebspatient*innen stammen, um nachzuweisen, dass diese von uns identifizierten und erstmals beschriebenen Membranproteine tatsächlich für therapeutische Zwecke in Frage kommen.