Im Interview mit Markus Vill

Markus Vill: Forscher, Lehrender und begeisterter Brückenbauer

Engagierte Mitarbeitende sorgen an der FH Campus Wien täglich dafür, Wissensbrücken zwischen den sechs Departments zu bauen. Markus Vill, Leiter des Masterlehrgangs und des Akademischen Lehrgangs Technische Gebäudeausstattung sowie Forscher und Lehrender im Department Bauen und Gestalten, ist einer davon und wirft seinen ganz speziellen Expertenblick auf das Bauen und Erhalten von Brücken.

Sie standen vor der Entscheidung, eine Managementposition zu bekleiden oder "back to the roots" in die Lehre zu gehen. Warum haben Sie sich für Lehre und Forschung entschieden? Was war Ihre Motivation dafür?

Ich war immer mit großer Begeisterung in der Forschung tätig. Es ist spannend, etwas Neues zu entwickeln oder zu untersuchen und mit den Ergebnissen einen kleinen, aber doch wertvollen Beitrag zu einem großen, komplexen Fachgebiet leisten zu können. Gleichzeitig ist die Begeisterung für das Lehren und das Arbeiten mit jungen Menschen bei mir sehr ausgeprägt. Ich versuche immer, aktuelle Forschungsergebnisse unmittelbar in die Lehre zu integrieren, und davon profitieren unsere Studierenden. Zudem ist ein Forschungsprojekt ideal, um auch intern die Vernetzung zu fördern. Da haben wir an unserer Fachhochschule mit mehreren Departments unter einem Dach ein hohes, nicht zu unterschätzendes Potenzial gegenüber den Universitäten, die eine größere, komplexere Organisationsstruktur haben. Besonders mit dem Technik-Department haben wir viele Anknüpfungspunkte, die örtliche Nähe und das tolle kollegiale Verhältnis begünstigen das sicher noch.

Aktuell forschen Sie gemeinsam mit der TU Wien und der TU Graz nach einem praxisgerechten Ingenieurmodell, um Straßen und Eisenbahnbrücken realistisch und zuverlässig zu bewerten. Warum wird das gebraucht?

Unsere Verkehrsinfrastrukturnetze haben ein riesiges Anlagevermögen bei steigender Altersstruktur. Es ist für die Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung, die Zuverlässigkeit dieser Netze sicherzustellen. Wir haben in den Straßen- und Eisenbahnstrecken eine Vielzahl von älteren Brücken, mit einem Alter von 50 Jahren und mehr, die den aktuellen Standards nicht mehr entsprechen. Die gängigen Berechnungen basieren zumeist auf sehr konservativen Rechenmodellen, die nach heutiger Ansicht für die Beurteilung bestehender Bauwerke nicht optimal sind. Wir entwickeln ein realistisches Ingenieurmodell für Betonbrücken, das die Belastungen und das Tragverhalten besser abbildet. Die Eigentümer*innen können das Ingenieurmodell dann als Entscheidungshilfe für künftige Reinvestitionen und Verstärkungsmaßnahmen verwenden.

Woran würden Sie gerne noch forschen?

Ein großes Thema ist die Nachhaltigkeit. Die definiere ich für das Bauwesen so, dass wir unseren Folgegenerationen keine schädlichen Konstruktionen und Altlasten übergeben und gleichzeitig auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Der Baustoff Beton ist beispielsweise heutzutage einer der am meisten verwendeten Baustoffe und nicht mehr wegzudenken. Das Verfahren zur Zementherstellung ist nur mit hohem Energieaufwand möglich, es entsteht sehr viel CO2. Es gibt Möglichkeiten, neue Betonrezepturen zu entwickeln, die weniger Zement als Bindemittel benötigen. Erforscht werden muss, wo sich diese Rezepturen für unsere Bauwerke als praxistauglich erweisen. Dazu muss man wiederum den Lebenszyklus genau betrachten. Das wäre für den Betonbau - und das ist mein Fachgebiet - eine entscheidende Aufgabenstellung für die nächsten Jahre und ein großer Beitrag zum Klimaschutz.

Sie haben Preise für Ihre ausgezeichneten Forschungsarbeiten erhalten und ein Patent angemeldet. Worauf sind Sie besonders stolz?

Ein schöner Erfolg für mich als junger Absolvent war der Preis der Stadt Wien für meine Diplomarbeit. Dafür habe ich einen Algorithmus für die Bewertung des Zustandes von Bestandsbauwerken wie beispielsweise Brücken entwickelt. Das Modell ermöglicht eine objektivere Betrachtung. Für die zentrale Beurteilung eines Streckennetzes oder für die Budgetierung von Instandsetzungsmaßnahmen ist das von großem Vorteil. Die Patentanmeldung war auch ein schöner Meilenstein. Das Ergebnis daraus ist eine der europaweit größten Anlagen für Dauerschwingversuche für Großspannglieder und Schrägseile, die die TU Wien in der Gusshausstraße im vierten Wiener Gemeindebezirk errichtet hat. Diese Anlage verwendet man beispielsweise, um Tests und Ermüdungsversuche bei Abspannelementen an Schrägkabelbrücken wie beispielsweise der U2-Brücke über die Donau in Wien durchzuführen. Es ist sehr wichtig, potenzielle Belastungen für solche Brücken genauestens zu prüfen und den Lebenszyklus in Zeitraffer im Labor vorab zu testen. Das passiert dann auf dieser Anlage.

Sie sind Experte im Bereich Brückenbau/Brückenerhaltung. Was fasziniert Sie an Brücken?

Es sind verbindende Elemente, die uns näherbringen und natürlich nicht wegzudenken sind. Brücken müssen sich von der Gestaltung und Architektur in die Umgebung, in das Landschaftsbild fügen. Wenn die Brücken ihre maximale Lebensdauer erreichen, kann man nicht einfach alle alten Brücken durch neue, modernere ersetzen, sondern muss den Bestand sichern. Das ist das Spannende daran und dazu kann man nie genug wissen. Vor 40 Jahren gab es beispielsweise die Entwicklung, viel, schnell und zugleich kostengünstig zu bauen. Da zeigen sich Schäden, die vor allem den Aspekten der Robustheit und Dauerhaftigkeit widersprechen. Die Römer hingegen haben Brücken für die Ewigkeit gebaut, ein Musterbeispiel an Nachhaltigkeit. Hier gilt es wieder anzuknüpfen: an die Robustheit, Langlebigkeit und an dauerhafte und vorhandene Materialien, die für Generationen stehen. Insofern sehe ich mich als Brückenerhalter und in einem doppelten Wortsinn auch als Brückenbauer - Menschen zusammenzuführen und Lösungen für fachliche Problemstellungen zu finden, damit sich etwas Positives entwickeln kann, das sehe ich als besonderes Erfolgserlebnis.


Lehrgänge

Akademischer Hochschullehrgang

Technische Gebäudeausstattung

berufsbegleitend

Master (CE)

Technische Gebäudeausstattung

berufsbegleitend