20. November 2018

Zukunftsgespräche über Empathie, Kooperation und Moral

 

Empathie begünstige prosoziales Verhalten und Kooperation, aber wir könnten auch ohne Empathie kooperieren, sagt die Philosophin Monika Betzler von der Ludwig-Maximilians-Universität München bei den Zukunftsgesprächen am 15. November.

Monika Betzler, Uni München und Manuel Koschuch, FH Campus Wien, in der Diskussion

Monika Betzler, Uni München und Manuel Koschuch, FH Campus Wien

Empathie begünstige prosoziales Verhalten und Kooperation, aber wir könnten auch ohne Empathie kooperieren, sagt die Philosophin Monika Betzler von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie war am 15. November zu Gast an der FH Campus Wien und sprach bei den Zukunftsgesprächen über die Fähigkeit zur Empathie im Spannungsfeld zwischen Konflikt und Kooperation. Gemeinsam mit Sabine Schweiger und Manuel Koschuch, beide FH Campus Wien, diskutierte sie anschließend über den Wert von Empathie, den Einfluss und die Auswirkungen neuer Technologien auf unsere Fähigkeit zur Empathie und über die Grenzen von Empathie.

„Wir sollten unsere Fähigkeit zur Empathie kultivieren, aber auch begrenzen. Dazu müssen wir verstehen lernen, inwiefern Empathie im praktischen Alltag wertvoll ist“, empfiehlt Monika Betzler. Empathie ist die mentale Fähigkeit, die Perspektive anderer einzunehmen und ihre Erfahrungen aus ihrer Sicht nachzufühlen. Mit Moral habe das nicht zwangsläufig etwas zu tun, sagte Betzler in ihrer Keynote, denn: „Empathie ist eine Fähigkeit, die nicht notwenigerweise moralisch sein muss!“ Man könne durchaus Empathie mit Gefühlen haben, die keineswegs moralisch seien.

Wertvolle Empathie

Es ist die Funktion von Empathie, eine Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen herzustellen. Sie ermöglicht insofern prosoziales Verhalten und Kooperation, wir können allerdings auch ohne Empathie kooperieren. „Kooperation kann bisweilen moralisch gefordert sein. Wir kooperieren dann, ohne etwas dabei zu fühlen“, so die Philosophin.

Empathie führt jedoch nicht immer zu wertvollen Beziehungen. „Sie kann manipulativ eingesetzt oder nicht angemessen gefühlt werden, sie kann ungenau sein oder gänzlich fehlen“, sagt Betzler. Empathie sei daher nur in dem Maß wertvoll, in dem sie eine wertvolle Beziehung zwischen den Beteiligten schaffe. Daher gebe es manchmal Gründe für Empathie und manchmal Gründe, sie zu begrenzen.

Empathie im praktischen Alltag

Empathie spiele in der Gesundheits- und Krankenpflege eine zentrale Rolle, sagt Sabine Schweiger: „Bei uns stehen der Mensch und die Beziehung zu Menschen im Mittelpunkt unseres Tuns. Je geringer in einer pflegerischen Beziehung die Autonomie des oder der Betreuten ist, umso wichtiger wird die Empathie“, so die Lehrgangsleiterin im Department Angewandte Pflegewissenschaft an der FH Campus Wien. Und wenn Empathie eine Definition von Nähe und Distanz ist, dann sei es in einer erfüllten pflegerischen Beziehung ganz wichtig, auch die Grenzen von Empathie zu erkennen, wahrzunehmen und zu reflektieren. Alles andere würde zu einer psychischen Überforderung führen.

„Zweifelsohne spielt Empathie auch in der Technik eine wichtige Rolle. Ich muss mich in der IT-Security durchaus in andere einfühlen können. Entweder in den Hacker oder in den User – je nachdem, woran ich gerade arbeite“, sagt Manuel Koschuch. Er lehrt und forscht im Kompetenzzentrum für IT-Security an der FH Campus Wien.

 

v.l.n.r.: Monika Betzler, Manuel Koschuch, Franz Zeller, Sabine Schweiger

Technik und Empathie

Insgesamt empathieloser würde unsere Gesellschaft zwar (noch) nicht, aber die fortschreitende Technologisierung und das dislozierte Kommunizieren könnten sich auf unsere Fähigkeit zur Empathie auswirken. Darin waren sich die Diskutant*innen einig. „Sofern der technologische Fortschritt dazu führt, dass wir zunehmend mehr mit Maschinen als mit Menschen zu tun haben, besteht zumindest eine gewisse Gefahr, dass wir unsere Fähigkeit zur Empathie weniger trainieren und deshalb auch weniger in der Lage sind, anderen nachzufühlen“, ist Monika Betzler überzeugt. Dies würde zu einer emotionalen Verarmung unseres Miteinanders führen und Konflikten Tür und Tor öffnen.

Für Manuel Koschuch ermöglichen Technologien Verhaltensweisen, die in persönlichen Beziehungen so nicht oder nur bedingt angewendet würden: „Insofern wird Empathielosigkeit begünstigt, aber die Technik per se macht nichts aus Menschen, was nicht in ihnen drinsteckt.“ Und Sabine Schweiger sieht in der Technologisierung und im Einsatz von Maschinen in der Gesundheits- und Krankenpflege immer nur eine Ergänzung, niemals einen Ersatz für das menschliche Miteinander.

Zukunftsgespräche

Die Zukunftsgespräche sind eine Veranstaltungsreihe der FH Campus Wien. Namhafte Forscher*innen und Expert*innen diskutieren zwei Mal jährlich über aktuelle Themen und künftige Herausforderungen in Gesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Die Zukunftsgespräche, die immer im Mai und November stattfinden, stehen jedes Jahr unter einem neuen thematischen Motto. Das Generalthema der Zukunftsgespräche in 2018 hieß „Konflikt und Kooperation“. 2019 stehen die Zukunftsgespräche ganz im Zeichen von „Veränderung“.

Zeitgenössische Kunst

Die FH Campus Wien präsentiert im Rahmen der Zukunftsgespräche alljährlich auch eine Ausstellung zeitgenössischer KünstlerInnen, die sich in ihren Arbeiten mit dem jeweiligen Generalthema auseinandergesetzt haben. In der aktuellen Ausstellung „Konflikt – Konkurrenz – Kooperation“ sind die Werke von neun KünstlerInnen aus sieben Nationen zu sehen: Franz Braun (AT), Faika Ceren Çağlar (TUR), Barbara Gwerder (CH), Miye Lee (KOR), Achim Schroeteler (DE), Daniella Tuzzi (CH), Azadeh Vaziri (IRN), Andreas Weber (CH) und Oksana Zmiyevska (UKR). Sie wurden in einem Open Call aus mehr als 40 Einreichungen von einer KuratorInnen-Jury ausgewählt. Die Ausstellung läuft noch bis April 2019.