Interview mit Sonja Lipenga

„Malawi - heavy stuff, aber deshalb bin ich da.“

Das Auslandspraktikum im 5. Semester des Gesundheits- und Krankenpflegestudiums in Malawi, für Sonja Lipenga war es ein Nachhause kommen, sie bezeichnet Malawi als „meine homebase in Afrika“. Die Beziehung und Liebe zu dem südostafrikanischen Land dauert schon über 10 Jahre an und begann, als sie als Biologiestudentin vor Ort tätig war. Die Mutter von zwei Kindern erforschte als fertig ausgebildete Naturschutzbiologin quer durch Afrika Elefanten, Affen und Löwen und sie lernte dabei ihren Mann kennen.

 

Sie haben ein Biologiestudium abgeschlossen, als Naturschutzbiologin in Afrika gearbeitet, wie kam es dann zum Wunsch Gesundheits- und Krankenpflegerin zu werden?

In den sehr abgelegenen Gebieten, in denen ich tätig war, war die gesundheitliche Versorgung der dort lebenden Menschen vorstellbar schlecht bis nicht vorhanden. So wurde ich immer wieder aufgesucht und um Hilfe gebeten, sei es in der Wundversorgung, bei Verdauungsproblemen oder bei Bindehautentzündung. Ich tat, was ich konnte, versuchte immer etwas Passendes aus meiner Reiseapotheke hervorzuholen und behandelte – where there is no doctor or nurse… hatte ich nicht viel Wahl. Diese Situationen waren trigger, denn mein Wunsch, nicht nur der Natur, sondern auch Menschen zu helfen und zwar professionell, war präsent – seit langem. So haben wir uns aufgemacht und sind von Tanzania, wo wir zuletzt für ein Löwenschutzprojekt arbeiteten, wieder nach Wien gezogen.

Im September 2020, gemeinsam mit einer Studienkollegin, starteten Sie Ihr Praktikum in der Geburtshilfe im Nkhatabay District Hospital, welche Aufgaben haben Sie übernommen?

Zunächst arbeiteten wir im Bereich Ante Natal Care (ANC) und führten Untersuchungen der Schwangeren und ungeborenen Kinder durch. Frauen werden in Malawi nur bei Verdacht auf Risiken und Komplikationen zum Ultraschall überwiesen. Wir begleiteten auch einige Outreach Klinik-Einsätze. Dabei fährt man in abgelegene Dörfer, um u.a. schwangere Frauen zu betreuen und Familienplanung anzubieten. Sehr bewegende Momente großer Emotionen erlebte ich auch auf der geburtshilflichen Station: neues Leben, aber auch Schattenseiten, zwei Neugeborene sind nach stundenlanger Reanimation in meinen Armen gestorben. Ich habe auch selbst zwei gesunde Babys entbunden. Der Bub, der dabei zur Welt kam, wurde Sonja genannt – trotz Erklärung meinerseits, dass dies eher ein Mädchenname sei ;). Bei den Geburten passierte auch Überraschendes, wie Stromausfall. Die Patientin musste nach einem Kaiserschnitt im Schein unserer Handytaschenlampen zugenäht werden. Die vielen prägenden Erlebnisse, zuletzt auch in der „Frühchenstation“ und im postnatalen Bereich, führten schließlich zu dem Entschluss, noch mehr zu tun.

Sie haben sofort ein konkretes Projekt in Angriff genommen?

Ja, in dem Dorf, in dem auch meine Familie wohnt – mein Mann ist der Sohn des Dorfoberhaupts – haben wir ein geburtshilfliches Zentrum gegründet. Ein Gebäude für die künftige Klinik haben uns die lokalen Behörden schon zur Verfügung gestellt, Renovieren und Ausstatten sind die weiteren Schritte, es gibt noch viel zu tun.

Den zweiten Teil des Praktikums in Malawi verbrachten Sie in einer psychiatrischen Einrichtung?

Das St. John of God Mental Care Center in Mzuzu ist das einzige Zentrum für psychiatrische Erkrankungen im Norden Malawis und bietet ein großes Spektrum an Services an. Erste Erfahrungen sammelte ich im Ambulanzbereich, es ist üblich, dass auch Pflegepersonen medizinische Diagnosen stellen und medikamentöse Therapien vorschlagen, die dann in Rücksprache mit den Ärzten umgesetzt werden. Zu den Tätigkeiten des Teams in der Ambulanz zählen auch die Outreach Clinic Services, das Domiciliary Care Programme und die Betreuung von Gefängnisinsassen mit psychischen Erkrankungen und Epilepsie. Bei drei Outreach Clinic Trips war ich für die Medikamentenausgabe zuständig und im Gefängnis von Mzuzu sprach ich vor über 800 Insassen im „awareness talk“ über mögliche Ursachen, Anzeichen und Prävention von Suizid. Die zweite Hälfte der Zeit verbrachte ich im akutpsychiatrischen Bereich und in der Rehabilitation. Interessanterweise reagierten die meisten Patient*innen besonders positiv auf mich, weil ich eine „Mzungu“ – eine „Weiße“ bin. Diese Tatsache alleine weckte Vertrauen in den Patient*innen und viele hatten dann ein großes Mitteilungsbedürfnis. So konnte ich viele therapeutische Gespräche mit den Patient*innen führen und einige entlang ihres Genesungsprozesses von der Aufnahme in der Akutpsychiatrie, in der Rehabilitation und teilweise bis zur Entlassung begleiten.

Würden Sie Malawi auch anderen Studierenden der Gesundheits- und Krankenpflege ans Herz legen?

Ich kann Praktika in Malawi all jenen empfehlen, die offen, optimistisch und bereit sind, neue Perspektiven einzunehmen ohne zu verurteilen und den eigenen Horizont in ungeahnte Distanzen erweitern wollen. Man sollte lösungsorientiert sein, einen hohen Grad an Frustrationsresistenz besitzen, den Wunsch und die Energie haben, etwas zum Positiven verändern zu wollen. Und es braucht auch ein bisschen die Liebe zum Abenteuer. Malawi, das als die Wiege der Menschheit gilt, belohnt mit atemberaubenden Landschaften, Traumstränden, wilden Nationalparks und herzlichen Menschen.


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