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Christian Marchsteiner zum größten oberflächennahen Geothermie-Bauprojekt Österreichs

DI Christian Marchsteiner ist Absolvent des Bachelorstudiums Bauingenieurwesen – Baumanagement sowie des Masterstudiums Bautechnische Abwicklung internationaler Großprojekte. Er arbeitet als Bauleiter im Spezialtiefbau für die Porr Bau GmbH (Abteilung Grundbau), die mit der Gesamtbaugrube des AUSTRIA CAMPUS in Wien-Leopoldstadt – einschließlich deren Konzeption, Planung, Ausführung und Überwachung – beauftragt wurde. Auf dem Areal des ehemaligen Nordbahnhofs entsteht im Zuge dieses von SIGNA realisierten Großbauprojekts ein neuer Business-Hotspot. 

Was ist das Besondere beim Spezialtiefbau für das Projekt AUSTRIA CAMPUS?

Der AUSTRIA CAMPUS ist mit einem Investitionsvolumen von über 500 Mio. Euro und einer Bruttogeschoßfläche von rund 303.000 m2 eine der größten Projektentwicklungen Europas. Der Auftrag der Gesamtbaugrube an die Porr Bau GmbH beinhaltet unter anderem das größte oberflächennahe Geothermie-Projekt Österreichs und eines der größten derartigen Projekte Europas mit einer Gesamtlänge der Absorber-Leitungen von rund 250.000 Laufmetern. Die Erdwärmenutzung spielt heute im Tiefbau bei der Ausführung von Bauvorhaben mit großen erdberührten Bauteilen eine zunehmend wichtige Rolle als regenerative Energiequelle. Eine geothermische Innovation der Porr Bau GmbH liegt beim AUSTRIA CAMPUS darin, dass mit einem eigens entwickelten Einbringsystem Absorberleitungen auch in unbewehrte Bohrpfähle eingebaut wurden. 

Erhöhte Anforderungen an die Herstellung der wasserdichten Baugrubenumschließung ergaben sich bei diesem Bauvorhaben unter anderem aus der Geologie des Geländes, mit bis zu 6 Meter mächtigen künstlichen Anschüttungen und aus der Donaunähe, die oberflächennahes Grundwasser mit sich bringt.  

 

Wie funktioniert die Erdwärmegewinnung am AUSTRIA CAMPUS?

Die oberflächennahe Geothermie wird zum Heizen und Klimatisieren der Gebäude genutzt. Dafür wurden für die Konstruktion ohnehin erforderliche Bauteile, nämlich die Schlitzwände, Bohrpfähle und Teile der Bodenplatte, als Massivabsorber ausgeführt. Die Technologie der Massivabsorber stellt eine äußerst wirtschaftliche Form der Erdwärmenutzung dar, da im Unterschied zu Tiefensonden keine eigenen Bohrungen hergestellt werden müssen und durch den Einbau der Absorberleitungen in die Betonbauteile große Flächen thermisch aktiviert werden.

Die Bauteile aus Stahlbeton oder Beton sind mit vernetzten Kunststoffleitungen (PE-Xa) versehen, durch die im Betrieb laufend Wasser oder ein Wasser-Glykol-Gemisch gepumpt wird. Mit diesen Absorberleitungen kann ein Heiz- oder ein Kühleffekt erzielt werden, indem dem Boden Wärme entzogen und diese im Gebäude abgegeben (Heizung), oder überschüssige Wärme aus dem Gebäude in den Boden abgeführt wird (Klimatisierung). Aufgrund der großen Schlitzwandoberfläche (rund 20.000m²) und Vielzahl an Pfählen (rund 2.000 Stück) hat der AUSTRIA CAMPUS ein erhebliches geothermisch nutzbares Energiepotenzial: 2.300 kW Gesamtheizleistung, das entspricht der Heizleistung von über 200 Einfamilienhäusern. Die Gesamtkühlleistung beträgt rund 1.500 kW, was der Kühlleistung von über 600 handelsüblichen Split-Klimageräten entspricht.

 

Welche zukünftigen Entwicklungen erwarten Sie?

In Zukunft wird meiner Meinung nach die Erdwärmegewinnung bei Spezialtiefbau-Großbaustellen immer öfter eine Rolle spielen. Sie rechnet sich gerade bei Baustellen mit großen erdberührten Bauteilen und wurde beispielsweise auch schon beim U2-Ausbau oder beim neuen Wiener Hauptbahnhof realisiert. Zur Erlangung bestimmter Gebäudezertifizierungen (LEED, BREEAM, DGNB, u.a.), die von Projektentwicklern im Sinne der Nachhaltigkeit häufig angestrebt werden, kann die Nutzung von Geothermie einen wichtigen Beitrag leisten. 

Speziell die Massivabsorbertechnologie eignet sich dafür besonders gut, da der wirtschaftliche Zusatzaufwand für den Einbau der Absorberleitungen in konstruktiv ohnehin notwendige Bauteile überschaubar ist. 

 

Weitere Informationen

Fachartikel Spezialtiefbau und Erdwärme-Gewinnung auf höchstem Niveau beim Projekt AUSTRIA CAMPUS (pdf, 1.095 kb)


Studiengänge

Bachelor

Bauingenieurwesen­ – Baumanagement

berufsbegleitend

Master

Bauingenieurwesen­ – Baumanagement

berufsbegleitend